Struma maligna
Derzeitiger Stand in Diagnose und Therapie

Maligne Lymphone der Schilddrüse

A. Heiss, F. Kober, R. Heinz, C. Hollinsky, M. Hermann

Das primäre maligne Lymphom de Schilddrüse ist außerordentlich selten. In der Literatur wird eine Inzidenz von 0,3-1,8 % [2-4] aller malignen Schilddrüsentumore angegeben; in unserem Krankengut beträgt diese 3,3 %. Auf die Lymphome allgemein bezogen gehört die Schilddrüse als primäre Lokalisation mit 0,3- 2,5 % [5-7] ebenso zu den seltenen Ursprungsorten. Klinisch imponiert ein rasches Wachstum (in unserem Krankengut zwischen 4 Wochen und 3 Monaten), Dyspnoe, Dysphagie und frühzeitiger Einbruch in die Nachbarorgane. Bei der Diagnosestellung liegt bereits in 60-70 % eine Infiltration in die Halsweichteile und in 25 % ein Gefäßeinbruch vor [10-12].

Material und Methoden

Im Rahmen einer retrospektiven Studie die Jahre 1957 bis 1991 umfassend, konnten wir 43 maligne Lymphome beobachten. Davon waren 42 Non-Hodgkin-Lymphome und eines ein Hodgkin-Lymphom. Die Geschlechtsverteilung zeigte 32 Frauen und 11 Männer. Das Durchschnittsalter der Frauen betrug 70 Jahre (Altersverteilung 44 bis 87 Jahre) und das der Männer 72 Jahre (51 bis 82 Jahre). Die Diagnosestellung erfolgte auf Grund einer Feinnadelpunktion bzw. durch die endgültige Histologie. Bei 21 Patienten wurde präoperativ eine Feinnadelpunktion durchgeführt (es lag 12mal PAP V, 5mal PAP IV, 3mal PAP III und einmal PAP II vor). In 83 % stimmte die Zytologie mit der endgültigen Histologie überein. Bei 25 Patienten kam im Szintigramm ein kaltes Areal zur Darstellung.

Die histologische Einteilung der Non-Hodgkin-Lymphome erfolgte nach der KIEL-Klassifikation [13, 15]. Bei 18 Patienten bestand ein Non-Hodgkin-Lymphom mit niedriggradiger und bei 24 Patienten mit hochgradiger Malignität. Bei den niedriggradigen malignen Lymphomen waren 27,8 % Männer und 72,2 % Frauen. Bei den hochgradigen malignen Lymphomen 25 % Männer und 75 % Frauen, somit eine ähnliche Geschlechtsverteilung.

Die klinische Stadieneinteilung erfolgt nach Ann Arbor [9]. Im Stadium IE waren 14 Patienten (Durchschnittsalter 69 Jahre und mittlere Überlebenszeit 24 Monate) Stadium IIE 15 Patienten (Durchschnittsalter 73 Jahre und mittlere Überlebenszeit 27 Monate). Stadium IVE 14 Patienten (Durchschnittsalter 68 Jahre und mittlere Überlebenszeit 4 Monate).

Ergebnisse

In unseren retrospektiven Studie konnten wir aufgrund der unterschiedlichen Nachbehandlung 2 Gruppen unterscheiden:

1. Gruppe 1957 bis 1978:
insgesamt 24 Patienten, davon sind alle verstorben. Geschlechtsverteilung: 15 Frauen und 9 Männer. Die durchschnittliche Überlebenszeit betrug 5 Monate (maximal 37 Monate). Zwei Patienten hatten präoperativ eine seit 5 Jahren bestehende Struma und einmal war eine Rezidiostruma vorhanden. Anamnestisch imponierte ein rasches Wachstum (4 Wochen bis 3 Monate). Von den 24 Patienten wurden 3 radikal, 17 palliativ operiert. Bei 4 Patienten erfolgte auf Grund des schlechten AZ keine Operation. Die Nachbehandlung war bei 11 Patienten eine Röntgenbestrahlung, bei 3 eine Röntgenbestrahlung plus Chemotherapie (N-Lost), bei 10Patienten erfolgte keine entsprechende Nachbehandlung. Jene Patienten ohne Folgetherapie hatten eine signifikant kürzere Überlebenszeit (0-3 Monate).

2. Gruppe 1979 bis 1991:
insgesamt 19 Patienten. Davon sind 9 Patienten verstorben. Geschlechtsverteilung: 17 Frauen und zwei Männer. Die durchschnittliche Übelebenszeit betrug in dieser Gruppe 39 Monate (maximal 128 Monate). Bei einem Patienten bestand anamnestisch eine Struma seit drei Jahren. Ein Patient von den 19 erhielt keine Nachbehandlung ansonst alle eine Strahlen- und/oder Chemotherapie. Fünf Patienten wurden radikal, 14 Patienten palliativ operiert. Von den derzeit 10 lebenden Patienten befinden sich 9 in einer Vollremission. Bei 2 Patientinnen kam es zu einem Lokalrezidiv. Bei der ersten Patientin - Alter 75 Jahre -, Non-Hodgkin-Lymphom niedriggradiger Malignität, kam es nach 11 Monaten zu einem Lokalrezidiv, sie erhielt zunächst Strahlentherapie - Hochvolttherapie, nach Auftreten des Lokalrezidivs 4 Zyklen Chemotherapie (CHOP-Schema). Die Patientin befindet sich derzeit in einer partiellen Remission. Bei der zweiten Patientin 67 Jahre alt - Hodgkin-Lymphom - kam es 6 Wochen nach Abschluß der Strahlentherapie zu einem Lokalrezidiv. Die Patientin erhielt 6 Zyklen Chemotherapie (MOPP), sie befindet sich derzeit in einer Vollremission.

Das signifikante Ansteigen der Überlebensrate in den letzten 10 Jahren kann zurückgeführt werden auf:

  1. Eine ausgedehnte Operationsradikalität.

  2. Ein entsprechendes Staging im Anschluß an die Diagnosestellung (Einführung von Sonographie und CT)

  3. Eine Verbesserung der Strahlen- und Chemotherapie [17]

Diskussion

Das primäre maligne Lymphom der Schilddrüse ist ein äußerst seltener, rasch progredient wachsender Tumor, der vorallem in höheren Lebensalter vorkommt, wobei das weibliche Geschlecht eindeutig überwiegt (Verhältnis Frauen zu Männer 3:1). Eine differentialdiagnostische Unterscheidung zum kleinzelliganaplastischen Karzinom ist oft nicht einfach [18]. Ebenso bereitet das gleichzeitige Vorliegen einer Thyreoiditis Hashimoto und eines Non-Hodgkin-Lymphoms Schwierigkeiten. Bereits Hashimoto (1912) wies darauf hin, daß das fortgeschrittene Stadium einer Struma lymphomatosa ein malignes Lymphom vortäuschen kann [6, 19]. Die in der Literatur vielzitierte Koinzidienz bei Thyreoiditis Hashimoto und Non-Hodgkin-Lymphom konnte in unserem Krankengut nur in 9,5 % beobachtet werden, im Gegensatz zur internationalen Literatur, wo eine Koinzidenz zwischen 25 % und 95 % [21] angegeben wird. Wir hatten viermal eine Tyreoiditis Hashimoto im Zusammenhang mit einem Non-Hodgkin-Lymphom niedriggradiger Malignität und einmal im Zusammenhang mit einem Hodgkin-Lymphom.

Die histologische Einteilung der Non-Hodgkin-Lymphome erfolgte nach der KIEL-Klassifikation. Die Häufigkeitsverteilung zwischen niedriggradigen malignen Lymphomen und hochgradig malignen Lymphomen beträgt in unserem Patientengut 1:1,3 [22]. Im Gegensatz zu den Non-Hodgkin-Lymphomen 3:1. Auch konnten wir keinen Unterschied in der Überlebenszeit (durchschnittliche Überlebenszeit 9 Monate) zwischen niedriggradig und hochgradig malignen Lymphomen beobachten.

Eine große Bedeutung kommt der Zytologie zu, die präoperativ in Form der Feinnadelpunktion durchgeführt wird. Es ist damit eine exakte Diagnostik möglich. Jeder kalte Knoten im Szintigramm, sollte besonders beim älteren Patienten so rasch wie möglich abgeklärt werden.

In unseren retrospektiven Studie zeichnete sich in den letzten 10 Jahren eine deutliche Verbesserung der Überlebenszeit ab (durchschnittliche Überlebenszeit 39 Monate). Hierbei hat die alleinige chirurgische Therapie keine wesentliche Verbesserung der Überlebenszeit gebracht. Die bestmöglichen Ergebnisse konnten in Kombination mit der Chemotherapie (CHOP-Schema) und/ oder der Strahlentherapie erzielt werden.

Entscheidend für die Prognose des Patienten ist eine rasche Diagnosestellung (Feinnadelpunktion oder Histologie), eine ausgedehnte, aber funktionserhaltende Tumorreduktion und nach der Diagnosestellung ein entsprechendes Staging sowie je nach Stadien oder Histologie eine resultierende Nachbehandlung, sei es Chemo- und/ oder Strahlentherapie [23].

Zusammenfassung

Von 1957-1991 konnten wir im Kaisein-Elisabeth-Spital 43 maligne Lymphome der Schilddrüse beobachten; davon waren 42 Non-Hodgkin-Lymphome und eines ein Hodgkin-Lymphom. Die Geschlechtsverteilung zeigte 32 Frauen (Durchschnittsalter 70a) und 11 männer (Durchschnittsalter 72a). Aufgrund der unterschiedlichen Nachbehandlung wurde das Patientengut in 2 Gruppen eingeteilt:

1. Gruppe (1957-1978):
Nachbehandlung konventionelle Röntgenbestrahlung. n=24 Patienten, durchschnittliche Überlebenszeit 5 Monate (0-37 Monate).

2. Gruppe (1979-1991):
Nachbehandlung Hochvolttherapie und/ oder Chemotherapie. n=19 Patienten, durchschnittliche Überlebenszeit 39 Monate (1-128 Monate).

In der ersten Gruppe sind alle Patienten verstorben, in der zweiten Gruppe 9 Patienten. Von den derzeit 10 lebenden Patienten befinden sich 9 in Vollremission.

In den letzten 10 Jahren zeichnete sich eine deutliche Verbesserung der Überlebenszeit ab; dies wird bedingt durch eine ausgedehntere Operationsradikalität, Staging durch den Hämatologen und eine Verbesserung der Chemo- und Strahlentherapie.

Literatur

  1. Aozaza K, Tajima K, Taminoga N, Katagiri S, Yonezawa T, Matsuzuka F, Kuma K, Sawada M (1991) Immunologic and immunohistochemical studies with or without thyroid lymphoma. Oncology 48/1:65-71

  2. Burke JS, Butler JJ, Fuller LM (1977) Malignent lymphomas of the thyroid. Cancer 39:1587-1592

  3. Devine RM, Edis AJ, Banks DM (1981) Primary lymphoma of the thyroid: a review of the Mayo clinic experience trough 1978. World J Surg 5:33-38

  4. Freeman C, Berg JW, Cutler SJ (1972) Occurence and prognosis of extranodal lymphomas. Cancer 29:252-254

  5. Gerald-Marchant R, Hamlin I, Lennert K, Rilke F, Stansgfeld AG, Unnik JAJ van (1974) Classifikation of non Hodgkin´s lymphomas. Lancet II:406

  6. Hashimoto H (1912) Zur Kenntnis der lymphomatösen Veränderung der Schilddrüse (Struma lymphomatosa). Arch Klein Chr 97:219

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  9. Hamburger J, Miller JM, Kini S (1983) Lymphoma of the thyroid. Ann Intern Med 99:685-693

  10. Lennert K (1981) Non-Hodgkin-Lymphome (nach der Kiel-Klassifikation). Springer, Berlin Heidelberg New York

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