Subjektive Patientenbewertung von Heiserkeit, Schluckbeschwerden und Atembeschwerden bei Recurrensparesen nach Strumektomie

D. Nekahm, M. Hermann, A. Heiss und F. Frank

In der Literatur findet sich bisher nichts über die subjektiv empfundene Beschwerdesymptomatik bei Patienten, bei denen es im Rahmen einer Schilddrüsenoperation zu einer Lähmung des Nervus laryngeus recurrens gekommen ist.
Bei einer groß angelegen retrospektiven Studie, bei der die langfristigen Rückbildungsrate der Recurrensparesen untersucht wurde, wurden die Patienten auch nach ihrer Beschwerdensymptomatik befragt.
238 von 400 einberufenen Patienten (1-8 Jahre nach der Operation) mit postoperativ nach Strumektomie diagnostizierten Recurrensparese folgten der Einladung zu einer laryngologischen Kontrolluntersuchung.
Bei der Untersuchung wurde den Patienten ein Fragebogen vorgelegt, in dem nach folgenden subjektiven Beschwerden gefragt wurde:

  • Heiserkeit

  • Schluckbeschwerden

  • Atembeschwerden.

Die Patienten wurden nach dem Ausmaß der Beschwerden gefragt und sollten dieses in einer Graduierung von 0 (= keine Beschwerden) bis 4 (= sehr starke Beschwerden) angeben. Die Angabe sollte die Beschwerden präoperativ, unmittelbar postoperativ und zur Zeit der Kontrolluntersuchung beschreiben.
Bei der Auswertung wurden nur Patienten mit einseitiger Recurrensparese berücksichtigt, um eine Verfälschung der Angaben, wie sie durch eine beidseitige Stimmlippenlähmung möglich wäre, zu vermeiden.
Ausgewertet wurden diese Daten in zwei Gruppen:

  1. 121 Patienten, bei denen sich die Recurrensparese 
    seit der Letztuntersuchung zurückgebildet hatte.

  2. 89 Patienten, bei denen die Recurrensparese bei der 
    Kontrolluntersuchung noch bestand

Geschlechtsspezifische Unterschiede waren bei der Beschwerdensymptomatik nicht erkennbar.

SUBJEKTIVE BEWERTUNG DER HEISERKEIT

Die Angaben zur Heiserkeit sind in beiden Patientengruppen präoperativ und unmittelbar postoperativ annähend gleich. Nur zum Zeitpunkt der Kontrolluntersuchung gaben die Patienten deutliche Unterschiede an. Dies ist aufgrund des Lokalbefundes zu erwarten, da zu diesem Zeitpunkt die Parese bei der einen Gruppe zurückbildet war.
Präoperativ hatte die große Mehrheit der Patienten (85 %) keine Heiserkeit, der Rest gab nur eine geringe Heiserkeit an. Es liegen jedoch keine Angaben über sonstige Erkrankungen des Larynx vor. (Bei der Kontrolluntersuchung wurden lediglich 4 % der Patienten zusätzliche Larynxerkrankungen diagnostiziert. Diese zusätzlichen Befunde dürften also in bezug auf die subjektive Patientenbewertung der Beschwerden zu vernachlässigen sein.)
Postoperativ wird das Ausmaß der Heiserkeit vorwiegend als mittel bis stark (Graduierung 2 bis 4) angegeben. Aus dem Schweregrad der Heiserkeit kann offenbar nicht vorhergesagt werden, ob sich die Parese wieder rückbilden wird.
Interessant ist auch, daß die Patienten ihr früheres Beschwerdebild rückblickend immer noch gleich empfinden, egal ob eine Besserung eingetreten ist oder nicht.
Aufgrund der erhobenen Angaben bei der Kontrolluntersuchung zeigt sich, daß sich das subjektive Empfinden über das Ausmaß der Heiserkeit auch bei den Patienten mit fortbestehender Recurrensparese wesentlich bessert. Lediglich 8 % geben die Heiserkeit als deutlich oder stark an, weitere 21 % als mittel.
Ein Drittel gibt keine Heiserkeit an, obwohl vom Untersucher eine solche diagnostiziert wurde.
Bei den Patienten mit nur vorübergehender Recurrensparese waren die Angaben über Heiserkeit zum Zeitpunkt der Kontrolle jedoch schlechter als präoperativ: Während zum Untersuchungszeitpunkt 32 % eine Heiserkeit angaben, waren es präoperativ nur 15 % gewesen.
Die Bewertung der Heiserkeit durch den Patienten läßt sich häufig gut mit der subjektiven Bewertung durch einen Untersucher korrelieren. Eine semiobjetiven Bewertung durch Sonographie haben wir bei dieser Studie bewußt nicht durchgeführt.
Nur in Einzelfällen wird die Heiserkeit durch den Patienten stärker empfunden, als dies aufgrund der vom Untersucher festgestellten Stimmlippenstellung zu erwarten gewesen wäre. Öfter trat der Fall ein, daß ein Patient seine Heiserkeit negierte.

SUBJEKTIVE BEWERTUNG DER SCHLUCKBESCHWERDEN

Rückblickend gaben nur 17 % der Patienten mit vorübergehender Recurrensparese und 11 % der Patienten mit fortbestehender Recurrensparese Schluckbeschwerden an.
Unmittelbar postoperativ gaben mehr als die Hälfte der Patienten mit bestehender Recurrensparese Schluckbeschwerden an. In der Gruppe mit nur passagerer Recurrensparese wurden Schluckbeschwerden in einem Drittel der Fälle angegeben.
Zum Zeitpunkt der Kontrolluntersuchung hatte sich für beide Gruppen die Beschwerdensymptomatik wieder etwas vermindert. Trotzdem bleiben in der Gruppe mit bestehender Recurrensparese in fast der Hälfte der Fälle zumindest geringe Schluckbeschwerden bestehen.

SUBJEKTIVE BEWERTUNG DER ATEMBESCHWERDEN

Rund die Hälfte aller Patienten gaben bereits präoperativ Atembeschwerden in geringem bis mittlerem Ausmaß an. Die Unterscheidung in laryngo-tracheal bedingte und pulmonal verursachte Atembeschwerden ist aufgrund des Fragebogens nicht möglich.
Interessant ist, daß sich das Beschwerdebild „Atembeschwerden“ über den Zeitraum kaum ändert. Dies bezieht sich auf beide Gruppen. Es darf also angenommen werden, daß die einseitige Recurrensparese keinen Einfluß auf die Atembeschwerden hat.

BEEINTRÄCHTIGUNG DER PATIENTEN DURCH DIE HEISERKEIT

Wir befragten die Patienten auch, ob sie sich durch die Heiserkeit beeinträchtigt fühlten. Dabei gaben von den 210 Patienten 41 an, in geringem Ausmaß durch die Heiserkeit beeinträchtigt zu sein, 15 in etwas stärkerem Ausmaß, 9 fühlten sich deutlich beeinträchtigt und 4 sehr stark. Dies 4 waren Sänger oder im Lehrberuf tätig.
Es bestand keine Korrelation zwischen Ausmaß der Heiserkeit und der subjektiven Beeinträchtigung , die daraus folgte. Durch die Heiserkeit beeinträchtigt fühlten sich nicht nur jüngere Patienten , die in ihrer Berufsausübung eingeschränkt waren, sondern auch alte Patienten. 3 der 4 Patienten mit sehr starker Beeinträchtigung waren über 75 Jahre alt.
In einem kurzen Gespräch wurde nach Erhebung des Fragebogens persönlich auf die Beschwerdensymptomatik eingegangen. Auch jene Patienten, bei denen sich die Recurrensparese wieder rückgebildet hatte und keine Heiserkeit mehr vorlag, gaben auf genaue Befragen häufig an, daß die Stimme nach der Operation tiefen und das Singen nicht mehr möglich war. Bei einigen Patienten war das Singen zwar möglich, nicht aber der Registerwechsel. Manche Patienten konnten nicht mehr schreien.
Zusammenfassend konnte man feststellen, daß aus dem Lokalbefund nicht auf subjektive Einschätzungen durch den Patienten geschlossen werden kann. Daher erachten wir eine frühzeitige phoniatrische und psychologische Betreuung für sinnvoll. Dazu wäre auch die rechtzeitige Aufklärung der Strumapatienten über postoperative mögliche Beschwerden und deren Therapie zu rechnen (Weiterführende Literatur beim Verfasser)